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Der Schmetterlingseffekt

Die Schilddrüse
Die Schilddrüse

Die menschliche Schilddrüse (Glandula thyreoidea) hat ihren Sitz am Hals, direkt unterhalb des Kehlkopfes vor der Luftröhre, ihre Form erinnert ein wenig an einen Schmetterling. Sie ist eine Hormondrüse, das heißt, sie produziert Schilddrüsenhormone, speichert sie und wandelt sie um. Schilddrüsenhormone haben lebensnotwendige Funktionen für den gesamten Organismus. Sie wirken auf den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System und die Darmmotorik. Gemeinsam regulieren sie mit anderen Hormonen wie Glucagon und Insulin den Blutzuckerspiegel und regen zur Produktion des Wachstumshormons Somatropin an.

Zwei der stoffwechselsteuernden Hormone heißen Thyroxin (Tetraiodthyronin) und Triiodthyronin. Um die Bedeutung dieser Begriffe zu verstehen, müssen wir diese in ihre Bestandteile zerlegen:

Tri / iod / thyronin
Tetra / iod / thyronin

Thyronin ist der Name einer Aminosäure, die die iodfreie Grundstruktur der Schilddrüsenhormone bildet. Auf ihr sind die Hormone also aufgebaut. In der Schilddrüse wird diese Aminosäure, die eine Etherbindung zwischen den beiden aromatischen Ringen aufweist, mit Iod-Atomen angereichert. Die Vorsilbe „Tri-„ steht für drei und bedeutet, dass im Molekül drei Iod-Atome gebunden sind; die Vorsilbe „Tetra-„ steht für vier und bedeutet, dass im Molekül vier Iod-Atome gebunden sind. Deshalb werden diese beiden Hormone mit T3 und T4 abgekürzt. Beide Hormone unterscheiden sich also nur durch die Zahl der gebundenen Iod-Atome.

Thyroxin (Tetraiodthyronin) – vier Iod-Atome – T4
Triiodthyronin – drei Iod-Atome – T3

T3 ist von allen Schilddrüsenhormonen das wirksamste, es ist etwa drei- bis fünfmal so wirksam wie T4. Dafür hat T4 eine wesentlich höhere Halbwertzeit als T3: Während T3 bereits nach 1 bis 2 Tagen um die Hälfte seines Volumens im Körper abgebaut wird, halbiert sich der T4-Wert erst nach etwa einer Woche.

T4 ist ein sogenanntes Prohormon. Prohormone sind Vorstufen von Hormonen. Sie haben selbst keine eigene oder sehr schwache hormonelle Wirkung, werden aber benötigt, um andere Hormone zu bilden. Von der Schilddrüse wird hauptsächlich Thyroxin produziert und freigesetzt, Triiodthyronin nur in einer geringen Menge, es kann im gesunden Organismus jederzeit in ausreichender Menge biosynthetisiert werden. In der Zelle wird aus T4 das wirkungsvollere T3 gebildet, indem ein Iod-Atom abgespalten wird. Dieser Vorgang wird Konversion genannt und dabei entsteht ein Abbauprodukt, das biologisch inaktive reverse Triiodthyronin (rT3).

Ungefähr 80% des gesamten Triiodthyronins befinden sich in der Leber und der Blutbahn, allerdings in einer inaktiven Form, nämlich an Transportproteine gebunden. Erst bei Bedarf werden T3 und T4 mithilfe von enzymatischen Reaktionen freigesetzt. Dann spricht man von freiem Triiodthyronin (fT3) und freiem Thyroxin (fT4).

Nicht nur Kopfsache!

Reguliert wird die Produktion der Schilddrüsenhormone von einem anderen Hormon, das im Gehirn gebildet wird: Thyreotropin oder auch Thyreoidea-stimulierendes Hormon, abgekürzt TSH genannt. TSH wird im Hypophysenvorderlappen, dem größten Teil der Hirnanhangdrüse, gebildet und regt die Schilddrüse zur Bildung von Hormonen an, solange bis sich genug Hormone im Blut befinden. Die Hormonkonzentration im Blut wird der Hypophyse zurückgemeldet und die Ausschüttung von TSH gestoppt. Das wird als negative Rückkopplung innerhalb eines Regelkreises bezeichnet.Schilddrüse & Co - Selbsthilfegruppe auf Facebook

So weit die vereinfachte Darstellung des Regelkreises der Schilddrüsenhormone. Hier wird klar, dass schon eine geringe Abweichung dieses ausgeklügelten Systems gleich einem Schmetterlingseffekt weitreichende Folgen für den gesamten Organismus und das Wohlbefinden hat.


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5 Kommentare zu „Der Schmetterlingseffekt

  1. Sehr anschaulich erklärt ! Wie genau äussert sich hier eine Schilddrüsenunterfunktion oder Überfunktion?

    1. Hallo Werner, danke für das nette Feedback. Erkrankungen der Schilddrüse äußern sich auf sehr unterschiedliche Weise, deshalb sind sie recht schwierig zu diagnostizieren. Zu den einzelnen Krankheitsbildern wird’s daher noch mal jeweils eigene Artikel geben.

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