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Wie funktioniert sportliches Training?

Was passiert in unserem Körper, wenn wir Sport betreiben, oder auch, wenn wir uns „nur“ regelmäßig bewegen? Und was muss ich tun, damit tatsächlich positive körperliche Veränderungen eintreten?

Regelmäßige Bewegung macht Spaß, ist gesund, dient der Vorbeugung von Krankheiten und verbessert die Lebensqualität. Ein gesunder, leistungsfähiger Körper ist auch die Basis für gute geistige Leistungen. Schulsport ist ein wichtiger Teil des Unterrichts und darf nicht, wie es lange Zeit geschehen ist, zugunsten anderer Fächer vernachlässigt werden. Studien haben ergeben, dass Kinder nach einer Bewegungseinheit in anderen Schulfächern aufnahmebereiter waren als ohne Sport. Außerdem: während große Teile des in der Schule erworbenen Wissens einige Jahre später vielleicht schon überholt oder vergessen sind, wirkt sich eine gute körperliche Verfassung und Freude an sportlicher Bewegung im späteren Leben in jedem Fall positiv aus.

Bis ins hohe Alter können Menschen von den positiven Effekten körperlicher Aktivität profitieren. Durch gezieltes Krafttraining kann in Pflegeheimen innerhalb weniger Wochen eine Kraftsteigerung der PatientInnen um 100% erreicht werden! Zwar ist der Ausgangswert sehr niedrig, doch im Bereich der Pflege kann schon eine vergleichsweise geringe Kräftigung die PatientInnen wieder befähigen, ohne Hilfe aufzustehen, sich anzuziehen und zu waschen, und ihnen so einen hohen Grad an Selbständigkeit zurück geben. Viele Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates – etwa die weit verbreiteten unspezifischen Rückenschmerzen – lassen sich mit körperlicher Aktivität weit besser behandeln als mit Medikamenten.

Das Wort Sport kommt aus dem Lateinischen „disportare“, das soviel wie „unterhalten, zerstreuen“ bedeutet. Über die englische Sprache ist es ins Deutsche aufgenommen worden. Anders als die Arbeit ist Sport also, wie das Spiel, eine freiwillige körperliche Aktivität. Sport wird im allgemeinen regelmäßig betrieben, es wird also trainiert, um eine Leistungssteigerung zu erreichen. Eine einfache Definition jedes sportlichen Trainings lautet:

Sportliches Training ist eine regelmäßige körperliche Belastung oberhalb der Reizschwelle mit dem Ziel einer spezifischen körperlichen Anpassung.

Sehen wir uns diese Definition genauer an, wobei wir am besten von hinten beginnen.

Spezifische Anpassung

Training kann nur dank der Fähigkeit des menschlichen Körpers funktionieren, sich Belastungen anzupassen. Der Körper ist in einem Fließgleichgewicht – alle körperlichen Funktionen sind darauf eingestellt, die gerade an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. Man kann das Effizienz nennen, man kann aber auch sagen, der Körper ist grundsätzlich faul. Wenn ich nichts von ihm fordere, wird er auch nicht viel leisten.

Jede Belastung des Körpers, im besonderen regelmäßiges sportliches Training, führt zu einer Störung dieses Fließgleichgewichtes. Der Körper reagiert mit einer Anpassung an die Belastung, bis wieder ein Gleichgewicht hergestellt ist. Diese Anpassung ist spezifisch, das bedeutet, je nachdem wie ich meinen Körper belaste, wird eine andere Veränderung eintreten. Zu den grundlegenden Fähigkeiten, die sich durch Sportausübung verbessern, gehören Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination. Auch diese können wieder in Unterfähigkeiten eingeteilt werden, so geht es zum Beispiel im Krafttraining um Kraftausdauer, Maximalkraft, Schnellkraft, Hypertrophie-Training für den Muskelmasse-Zuwachs, intramuskuläre und intermuskuläre Koordination. Die Grundlagenausdauer gilt als Basis der körperlichen Fähigkeiten, da sie die Erholungszeit nach jeder Belastung verkürzt und daher für alle Sportarten essenziell ist.

Der Körper eines Gewichthebers sieht anders aus als der eines Marathonläufers, weil in diesen Sportarten der Körper auf völlig unterschiedliche Art beansprucht wird. Beim Gewichtheber, der vor allem Schnellkraft, Maximalkraft sowie inter- und intramuskuläre Koordination (das Zusammenspiel zwischen den Muskeln und der Muskelfasern innerhalb des Muskels) trainiert, nimmt dadurch die Muskelmasse zu, wogegen er nur wenig Ausdauer braucht. Ein derartig massiger Körper wäre für den Marathonläufer von Nachteil, denn er müsste das Gewicht über viele Stunden tragen und die Muskeln auch mit Energie versorgen. Für ihn ist die Grundlagenausdauer sehr wichtig, also die Fähigkeit, sparsam mit Energiereserven umzugehen und den Sauerstoff effizient in die Muskeln zu transportieren, wie auch eine effiziente Lauftechnik. Jede Sportart stellt also gänzlich andere Anforderungen, die zu unterschiedlichen körperlichen Veränderungen führen. Wer eine Sportart trainiert, muss die gewünschten Anpassungen genau kennen, um das Training richtig aufbauen zu können.

Oberhalb der Reizschwelle

Kehren wir zurück zu unserer Definition. Eine Belastung muss oberhalb der Reizschwelle liegen, damit ein sogenannter „trainingswirksamer Reiz“ gesetzt wird, also eine körperliche Anpassung eintritt. Diese Reizschwelle liegt etwa bei 20-30% der momentanen Leistungsfähigkeit. Bei alltäglichen Verrichtungen, etwa beim langsamen Gehen, überschreiten wir diese Reizschwelle nicht. Anders ist es, wenn man wegen einer Krankheit ein paar Wochen im Bett liegen musste. Dann hat sich der Körper, siehe Fließgleichgewicht, an diese verringerte Belastung angepasst, die Reizschwelle sinkt, und schon ein paar Minuten Gehen werden als anstrengend empfunden. Gehen ist in diesem Fall Training, eine Rehabilitationsmaßnahme, um den Körpers auf den Leistungsstand, den er vor der Krankheit hatte, zurück zu bringen.

Laufen dagegen fordert auch den gesunden Körper, und er reagiert mit kurzfristigen Anpassungen. Das Herz schlägt schneller, die Atmung beschleunigt sich ebenfalls, weil mehr Sauerstoff und Nährstoffe in die Muskeln transportiert werden müssen. Dadurch, dass man einmal der Straßenbahn nachgelaufen ist, wird sich aber noch kein Trainingseffekt einstellen. Erst, wenn man regelmäßig mehrmals in der Woche ein Lauftraining absolviert, kommt es zu langfristigen Anpassungen.

Regelmäßige Belastung
das Prinzip der Superkompensation
Jedes körperliche Training basiert auf dem Prinzip der Superkompensation

Wie oft und wie lange am Stück man trainieren soll, ist von Sportart zu Sportart verschieden, das dahinter liegende Prinzip ist jedoch immer das gleiche. Wenn der Körper belastet wird, steigt die Leistungsfähigkeit nach einer Phase der Erholung auf ein höheres Niveau als vor der Belastung. Das nennt man Superkompensation. In dieser Phase der Superkompensation, die je nach Trainingsstand und -art einige Stunden bis etwa zwei Tage nach dem Training eintritt, muss der nächste Trainingsreiz gesetzt werden, damit eine Leistungssteigerung eintritt. Sonst fällt die Leistung, weil der Körper nicht gefordert wird, wieder auf das Ursprungsniveau zurück, und man beginnt wieder von vorn. Daher hat es, wenn man zum Beispiel Laufen ernsthaft trainieren möchte, wenig Sinn, nur einmal in der Woche laufen zu gehen. Damit kann höchstens die Ausgangsleistung gehalten werden; das mag aber für manche, vor allem ältere, FreizeitsportlerInnen auch schon genug sein. Andererseits ist es auch ungünstig, zu oft oder zu intensiv zu trainieren. Denn dann fällt das nächste Training noch in die Erholungsphase, die der Körper dringend braucht, und es kommt durch dieses „Übertraining“ nicht zu einer Leistungssteigerung, sondern vielmehr zu einem Abfall der Leistung. Allzu ehrgeizige FreizeitsportlerInnen, aber auch manche SpitzensportlerInnen, machen diesen Fehler.

Nach einigen Wochen Training steigt die Leistungsfähigkeit und damit auch die Reizschwelle. Bei Anfängern ist die Verbesserung sehr schnell spürbar, was auch zur Motivation beiträgt. Damit weiterhin ein Trainingseffekt eintritt, muss der Trainingsreiz stetig erhöht, also die Intensität, die Dauer und die Häufigkeit des Trainings gesteigert werden. Das ist möglich, weil sich mit der Verbesserung der Grundlagenausdauer, die die Basis jedes Trainings ist, auch die Erholungszeiten verkürzen.

SpitzensportlerInnen können – und müssen – daher jeden Tag mehrere Stunden trainieren, ohne in Übertraining zu geraten. Fitness- bzw. FreizeitsportlerInnen genügt auch ein wesentlich geringeres Trainingspensum für eine spürbare Verbesserung der Leistung und des Wohlbefindens. Um ein gewisses Leistungsniveau zu halten, kann auch eine Trainingseinheit in der Woche genug sein. So reicht ein einstündiges Krafttraining wöchentlich, um den stetigen Verlust an Muskelmasse zu verhindern, der ohne Training mit dem 25. Lebensjahr beginnt.

Jeder Mensch ist in unterschiedlicher Weise für den Sport talentiert. Während die einen von Natur aus sehr gelenkig sind, können andere sehr schnell sprinten oder ungewöhnlich stark sein. Oder man spielt besonders gern und gut mit anderen zusammen, was in jeder Mannschaftssportart wie etwa im Fußball wichtig ist. Für jeden Menschen gibt es eine Sportart, die ihm oder ihr besonders liegt. Schließlich ist jede körperliche Betätigung besser als gar keine. Und wenn man, also der Körper, etwas älter ist, fällt körperliches Training viel schwerer als in jungen Jahren, und es dauert länger bis ein Trainingseffekt eintritt. Es ist jedoch nie zu spät, um mit Sport zu beginnen!

In unserer Definition war zwar bisher nur von Körpertraining die Rede, aber auch das Gehirn kann trainiert werden. Bis vor einigen Jahren dachte man, dass das Gehirn nur in der Jugend form- und trainierbar wäre. Mittlerweile ist aber die Ansicht verbreitet, dass die Gehirnfunktionen, wie jedes andere Organsystem auch, das ganze Leben lang durch regelmäßige Belastung erhalten und gestärkt werden können. Die Bezeichnung „Denksport“ hat also durchaus auch aus der Sicht der Trainingslehre ihre Berechtigung.

Autor:

Christoph Kaindel kann sich seit 30 Jahren nicht für einen beruflichen Schwerpunkt entscheiden. Er ist nicht-praktizierender Mittelalter-Historiker, auch als Fitnesstrainer und Kampfsportler ausgebildet, jedoch vorwiegend als Medienpädagoge, Grafiker, Cartoonist und Illustrator tätig. Hier schreibt er Beiträge zum Themenbereich Sport.